Montag, 5. März 2012

[Essay] In welcher Welt leben wir eigentlich? Über Vorverurteilungen und mangelnde Akzeptanz

Die Inspiration zu diesem Blogpost lieferten zwei Zeitungsartikel, die ich am 16./17.2.12 gelesen hatte und ich mich fragte, wie es denn sein kann, dass Menschen in eine gänzlich ausweglose Situation geraten, dass sie zum äußersten Mittel greifen oder Wichtiges in den Hintergrund rückt und dann etwas unwichtiges dominiert? Ich kam nicht umhin, mir Gedanken über das Thema Vorurteile und Akzeptanz, oder besser gesagt, der Mangel dieser, zu machen.
Nun zunächst zu den Zeitungsartikeln, die ich für euch kurz zusammen fassen möchte:

Artikel aus der Financial Times Deutschland vom 16.2.1
In Kolumbien wurden vor gut einem Jahr zwei Priester auf während eines Raubüberfalles getötet. Nun kam die Staatsanwaltschaft nach ihren Ermittlungen zu dem Schluss, dass die beiden Priester selber zwei Auftragskiller engagierten, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Hintergrund dieser Tat war zum einen, dass die beiden, die sich seit dem Studium kannten, zusammen eine homosexuelle Beziehung führten, zum anderen war bei einem der beiden das HI-Virus diagnostiziert worden und die Krankheit war bereits ausgebrochen. Sie wollten sich zunächst selber töten, schreckten davor zurück und heuerten dann die beiden Männer an, um auf diese Art zu sterben.

Artikel aus der Neuen Württembergischen Zeitung vom 17.2.12
Der Gewinner des türkischen Vorausscheids für den Eurovision Songcontest Can Bonomo macht in der Türkei nicht nur durch seine Stimme auf sich aufmerksam, sondern, seit einer unpassenden Frage einer Journalistin während eines TV Interviews, auch durch seine Religion, denn er ist Jude und dies führte zu einer Diskussion in der Türkei.

Es ist, für mich, tragisch, zu lesen, dass es Erdteile gibt, in denen man sich lieber umbringt, als zugeben zu müssen, dass man homosexuell ist. Erst wieder im Tode mit dem/der Liebsten vereint zu sein gibt es also nicht nur in Shakespeares Romeo und Julia, nein auch in unserer heutigen Welt!

Ist es nicht von einer Art Tragik zu sehen, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaft von der katholischen Kirche nicht anerkannt wird und dann sind es zwei Priester, die sich entscheiden, auf Grund ihrer Lebensverhältnisse, zu sterben. (Beim Thema katholische Kirche könnte sich auch die Frage stellen, ob sie den Freitod nicht wählten, da er in der katholischen Kirche eine Sünde ist, oder weil sie einfach Angst hatten, es selber zu tun und die Bürde lieber einem Auftragskiller überließen. Aber am Ende ist es egal, welche Beweggründe sie hatten, sich umbringen zu lassen und es nicht selber zu tun. Sich niemandem anzuvertrauen, nicht einmal den eigenen Familien, die es nicht glauben konnten, dass ihre Kinder die beiden Mörder selber engagierten, muss schlimm sein, denn hier geht es nicht um eine Lappalie, eine schlechte Note die man mal verschweigt, nein, es geht um ein Leben, eine Entscheidung, wie man sein Leben lebt, mit wem man sein Leben leben will.

Und wie kann es denn auf der anderen Seite sein, dass ein türkischer Staatsangehöriger, dessen Familie seit ewigen Zeiten in dem Land lebt, sich dafür rechtfertigen muss, welcher Religion er angehört? (Mal abgesehen von der Unwichtigkeit der Frage nach Herkunft und Religion, in diesem Fall, und wie lange die Familie in der Türkei lebt oder nicht, es macht auf mich keinen positiven Eindruck) Dass so etwas zur Debatte steht ist sehr traurig. Wieso steht es denn überhaupt zur Frage, weshalb hat die Journalistin diese Frage überhaupt gestellt? Sie musste sich doch bewusst gewesen sein, welche Lawine dadurch ins Rollen kommt? Ob man ihn ausgewählt hätte, wenn diese Situation schon davor bekannt geworden wäre?
Wie dem auch sei, der Künstler schweigt mittlerweile verständlicherweise und äußert sich dazu nicht mehr.

Vielleicht haben wir, hier in Mitteleuropa oder allgemein in den „westlichen“ Ländern, eine andere Auffassung dieser Dinge, wenn es um Themen wie gleichgeschlechtliche Sexualität oder Religionsfreiheit geht, aber fragen wir uns doch einmal, in welcher Hinsicht Homosexualität wirklich bei uns akzeptiert und vor allem rechtlich anerkannt wird, und in wie weit, wir immer noch um Rechte und Anerkennung kämpfen müssen? Ich nehme als Beispiel hierfür die Vereinigten Staaten, in denen es von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedliche rechtliche Auffassungen und Ansichten über das Thema „gleichgeschlechtliche Ehe“ gibt.

Besteht diese Verurteilung und mangelnde Anerkennung von Menschen und ihrer Rechte nicht vielmehr darauf, dass wir nichts über etwas anderes, als unsere Sichtweise, wissen wollen und unser Halbwissen unseren Horizont verengt und nicht erweitert? Scheuen wir uns davor, etwas neues kennen zu lernen und vor allem zu akzeptieren?

Wie können wir Menschen danach urteilen, dass sie dick, dünn, hell- oder dunkelhäutig, asiatsicher oder südamerikanischer Abstammung, schwul, lesbisch, transsexuell, katholisch, evangelisch, Moslem oder jüdisch sind? Wieso maßen wir uns an, über Menschen zu urteilen, wenn wir sie gar nicht kennen, nur weil ihre Sexualität, Hautfarbe, Herkunft oder ihr Aussehen uns nicht passt?

Ist es nicht vielmehr so, dass wir Menschen überhaupt nicht vorurteilsfrei durch das Leben gehen können? Und woher kommen diese Vorurteile? Leben wir das nach, was uns unsere Familie, unser Umfeld uns vorlebt, was wir im Kindergarten, der Schule aufgeschnappt haben?
Oder liegt das Negative einfach in der menschlichen Natur?

Ich persönlich nehme mich davon mit Sicherheit nicht aus, und ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell ich teilweise zum einen urteile ohne zu wissen oder zum anderen Menschen in eine Kategorie stecke, wenn ich höre, sie kommen z.B. aus dem und dem Land oder haben diese oder jene Vorgeschichte.
Aber verdienen wir nicht alle jene Anerkennung und Akzeptanz, denn irgendwo auf der Welt werden wird die Außenseiter sein und werden vielleicht vorverurteilt werden.

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